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Wohnraum schaffen für alle

Wohnraum für alle ist Mangel, insbesondere in den Metropolen Deutschlands. Die Hansestadt Hamburg will eine Metropole für alle bleiben. Auch Lübeck arbeitet daran, geeigneten Wohnraum für unterschiedliche Bedarfe zu schaffen. Architekten und Baugenossenschaften stellen im Rahmen einer Pressereise der Initiative „Lebensraum Ziegel“ aktuelle Bauvorhaben in den Hansestädten vor.

Damit Wohn- und Lebensqualität nicht zum Luxusgut wird, ist vorausschauende Wohnungsbaupolitik nötig. Es fehlt an kostengünstigem Bauland. Die Preise für Wohnraum steigen stetig. Mit dem „Bündnis für das Wohnen“ setzt Hamburg seit 2011 verstärkt auf die Förderung des Wohnungsbaus. Deutschlands zweitgrößte Stadt mit über 1,86 Millionen Einwohnern wird bis 2035 auf rund 2,0 Millionen Einwohner wachsen.
Vor allem junge Menschen zieht es in die Elbmetropole. Zuzug, demografischer Wandel und veränderte Wohnbedürfnisse: Stadtentwicklung ist eine komplexe Aufgabe, mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten. Städtebauliche Lösungen auf einer begrenzten Fläche heißen meist Konversion und Nachverdichtung.
2017 wurde in Hamburg der Neubau von insgesamt 13.411 Wohnungen genehmigt. Damit konnte das vereinbarte Ziel von 10.000 Wohnungen pro Jahr deutlich übertroffen werden.
Im Herzen von Altona
Mitte Altona ist nach der HafenCity das zweitgrößte Baugebiet Hamburgs. Auf dem 16 Hektar großen Areal sollen bis 2030 rund 10.000 Menschen neuen Wohn- und Lebensraum bekommen.
Im ersten Bauabschnitt entstehen bis Ende 2019 auf dem ehemaligen Güterbahnhof 1.600 Wohneinheiten. Als zweiter Bauabschnitt wird das Gelände der Holsten-Brauerei mit 1.300 Wohnungen bebaut. Und der dritte Bauabschnitt wird nach Verlegung des Fernbahnhofs Altona nach Diebsteich Platz für 1.900 neue Wohnungen schaffen. Im Drittelmix aus Eigentum, frei finanziertem und gefördertem Wohnraum entsteht ein gemischtes, lebendiges Viertel. Geschlossene Häuserblöcke bilden jeweils einen ruhigen Innenhof. Individuelle Fassaden aus rotem, grauem oder beigem Klinker sorgen für ein heterogenes Bild, wie es auch im benachbarten Altbauviertel vorherrscht. „Ziegel hat in Hamburg Tradition“, sagt Jan-Bernd Leffers, Projektkoordinator der Behrendt Gruppe. „Bezüglich der Witterungslage ist es unser bevorzugter Baustoff gegen Schlagregen.“
Birgit Ferber von der Behörde für Stadtentwicklung weist auf den hohen Anteil von barrierearmen Wohnungen hin sowie auf ein Novum: Für das Blindenleitsystem wurde ein neuer Abschlussstein verwendet. „Den Stein gab es vorher nicht. Wir haben ihn gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt“, so Ferber. „Blinde Menschen haben uns gesagt, dass es gut funktioniert.“

Renaissance des schmalen Stadthauses
In Hamburg-Nord entsteht auf dem Gebiet eines ehemaligen Krankenhaus-Geländes eine neue Siedlung mit 500 Wohnungen. Das Besondere: Im 5,7 Hektar großen Baugebiet Finkenau östlich der Alster erfährt das schmale Stadthaus eine Renaissance. Die Vermarktungskonzepte für das Quartier reichen von Baugruppenprojekten bis zu hochwertigen Architektenhäusern.

Die Baugruppe „Stadtfinken“ an der Leo-Leistikow- Allee bietet 42 Wohneinheiten mit Größen zwischen 80 und 140 m² im Effizienzhaus-Plus-Standard. Zum hohen ökologischem Anspruch gehören Passivhaus-Dämmung und ein ausgefeiltes Energiekonzept mit Geothermie-Tiefenbohrung auf fast 110 Meter, Wärmepumpe, PV-Anlage und Abwasser-Wärmerückgewinnung. Ein Blockheizkraftwerk gewährleistet die Trinkwasserversorgung.

Die 26 „UpTownhouses“ am Dorothea-Bernstein-Weg ermöglichen individuelle Wohn- und Nutzungsformen. Sechs Architekturbüros lieferten die Entwürfe für Reihenhäuser der gehobenen Klasse. „Die Häuser passen wie ein Maßanzug für die Bedürfnisse der Bewohner“, erzählt Jens Clasen vom ICON Immobilien. Das kleinste Haus hat 150 m² Wohnfläche, das größte 230 m² auf vier Stockwerken.
Schöne Aussicht an der Außenalster
Kein typisch norddeutscher Ziegelbau ist das Wohnhaus „Schöne Aussicht“ in der gleichlautenden Straße an der Außenalster. „Es ist ein klassisches Beispiel für gute Architektur“, sagt Michael Brückner, Projektentwickler bei Wienerberger. Er weist auf die monolithische Ziegelwand hin, die außen und innen verputzt ist. „Es ist eine einschalige Wand ohne Wärmedämmverbundsystem“, so Brückner. „In dieser Bauweise sind fünf bis sechs Geschosse möglich.“ Große Fensteröffnungen sorgen für besten Blick aufs Wasser.
Naturverbunden Wohnen in Harburg
Auch in den Hamburger Stadtrandlagen wird gebaut. Im Stadtteil Neugraben-Fischbek im Bezirk Hamburg-Harburg wachsen unter der Dachmarke „Naturverbunden Wohnen“ drei neue Wohnviertel mit 4.500 Wohneinheiten für 15.000 Menschen. Gesteuert wird das Ganze von der IBA-Hamburg als städtischer Projektentwickler.
Auf der Konversionsfläche der Röttiger Kaserne entsteht das Quartier „Fischbeker Heidbrook“ mit Einzel-, Doppel- und Reihenhausbebauung sowie Geschosswohnungsbau.
Das Quartier „Vogelkamp Neugraben“ wird zwischen S-Bahnhof Neugraben und dem Naturschutzgebiet Moorgürtel realisiert. „Hier wird kein reines Familien-Wohngebiet geschaffen, sondern ein Wohngebiet für alle, die gerne naturnah und gut angebunden an die Hamburger Innenstadt wohnen möchten“, betont Projektkoordinatorin Silke Bainbridge-Nott. Ein Typologiemix soll für ein gemischtes Quartier sorgen. Angrenzend an Plätze und Parks werden Mehrfamilienhäuser platziert. Dort befinden sich auch Kita, Bäcker und Nahversorger. Damit bei den Einfamilienhäusern kein ­„Hüttenhausen“ entsteht, stehen im zweiten Bauabschnitt vier Architektenentwürfe zur Auswahl. Im dritten Bauabschnitt können auch eigene Architekturentwürfe einge­reicht werden. Diese werden von einem Gestaltungsbeirat geprüft.

„Reine Wohngebiete würden wir heute nicht mehr realisieren“, sagt IBA-Geschäftsführerin Karen Pein und ergänzt: „Ein hoher Anteil an Einfamilienhäusern ist nicht ökologisch und zu flächenintensiv.“ Sie selbst plädiert für höhere Mehrfamilienhäuser. „Leider wird Höhe oft mit sozialen Problemen gleichgesetzt. Dabei wird gerade dieses Segment von einkommensstarken Haushalten nachgefragt“, so Pein.

Preiswerte Wohnungen in Lübeck
Auch Lübeck, der mit 220.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Schleswig-Holsteins, muss dringend für Entlastung am Wohnungsmarkt und Aufwertung von Stadtrandwohnlagen sorgen. Die städtische Grundstücks-Gesellschaft Trave modernisiert und schafft attraktiven geförderten Wohnraum.

Lübeck-Moisling, im Südwesten zwischen Trave und Elbe-Lübeck-Kanal gelegen, ist durch Wohnblöcke aus den 1960er-Jahren geprägt. „Barrierefreie Wohnungen waren in den älteren Häuserzeilen nicht zu realisieren“, sagt Trave-Geschäftsführer Dr. Matthias Rasch. Daher werden die 50 Jahre alten Mehrfamilienhäuser nicht saniert, sondern abgerissen. Beim Neubauprojekt „Sieben Moislinge“ am Schneewittchenweg entstehen frei positionierte Drei- bis Viergeschosser mit Fahrstühlen und zeitgemäßen Grundrissen. Und – man mag es kaum glauben – die Quadratmetermieten der geförderten Wohnungen sind in den neuen Wohnungen nicht teurer als in den alten.

Architektin Marie-Luise Zastrow weist auf die Baustoffe hin: „Wir wollten keine Radieschen-Bauweise“, also das in Norddeutschland übliche zweischalige Mauerwerk aus rotem Klinker außen und weißem Kalksandstein. Als Hintermauerwerk wurde der in Süddeutschland gängige Leichtziegel verwendet. „Dieser Ziegel hat nicht nur Tragfunktion, sondern ist zugleich auch Dämmung. Diese Konstruktion spart 10 cm Dämmstoff“, so Zastrow. Durch das bessere Feuchteverhalten wird zudem Schimmelbildung vermieden.

Die Devise „Abreißen und neu bauen“ wird auch in Lübeck-Kücknitz verfolgt. Aufgrund zunehmenden Leerstandes und einer Bewohnerstruktur aus sozial schwachen Bevölkerungsgruppen drohte der ehemalige Industriestandort mit einem Bestand von fast 1.000 Wohnungen aus den 1950er-Jahren zum Problemgebiet zu werden.
Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Anstelle von gleichförmigen, parallel angeordneten Mehrfamilienhäusern in schlichter Bauweise sind Wohnformen für verschiedene Bedarfe entwickelt. Speziell für ältere Menschen sind barrierefreie Wohnungen mit verglastem Balkon erstellt.
Das Projekt „Wohnen mit Kindern“ setzt in der Tilsitstraße auf eine familiengerechte, kinderfreundliche und generatio­nenübergreifende Nachbarschaft. Die Gebäude mit unterschiedlichen Geschosshöhen sind schlängelnd versetzt. Da die Parkplätze an die Straße verlegt sind, ist es nach hinten verkehrsfrei. „Wir haben versucht, die alten Bäume zu erhalten. Die schaffen Atmosphäre“, so Zastrow. „Trotz dichter Bebauung hat man hier das Gefühl, man lebt zwischen Hochhaus und Einfamilienhaus.“

(Text: Frahm; Foto: ©Frahm)

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